Hölderlin im Stimmungsbarometer
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Brief an den Freund Casimir von Böhlendorf, den Hölderlin am 4. Dezember 1801, zwei Tage vor seinem Aufbruch nach Frankreich verfasst. Zu diesem Zeitpunkt ist Hölderlin 31 Jahre alt.
Lieber Bruder!
Von mir selber und wie es mir gegangen ist bisher [...] davon will ich mit nächstem Dir aus der Nachbarschaft Deines Spaniens, nämlich aus Bordeaux schreiben, wohin ich als Hauslehrer und Privatprediger in einem deutsch evangelischen Hauße nächste Woche abreise...
O Freund! die Welt liegt heller vor mir, als sonst, und ernster. [...] Denn unter allem, was ich schauen kann von Gott, ist dieses Zeichen mir das auserkorene geworden. Sonst konnt‘ ich jauchzen über eine neue Wahrheit, eine bessere Ansicht deß, das über uns und um uns ist, jetzt fürcht‘ ich, daß es mir nicht geh‘ am Ende, wie dem alten Tantalus, dem mehr von Göttern ward, als er verdauen konnte.
Aber ich thue, was ich kann, so gut ichs kann, und denke, wenn ich sehe, wie ich auf meinem Wege auch dahin muß wie die andern, daß es gottlos ist und rasend, einen Weg zu suchen, der vor allem Anfall sicher wäre...
Und nun leb wohl, mein Theurer! bis auf weiteres. Ich bin jezt voll Abschieds. Ich habe lange nicht geweint. Aber es hat mich bittre Thränen gekostet, da ich mich entschloß, mein Vaterland noch jezt zu verlassen, vieleicht auf immer. Denn was hab‘ ich lieberes auf der Welt? Aber sie können mich nicht brauchen. Deutsch will und muß ich übrigens bleiben, und wenn mich die Herzens- und die Nahrungsnoth nach Otaheiti triebe.
glücklich
unzufrieden
verzweifelt
zuversichtlich
entschlossen
sehnsüchtig